
Nachhaltige Kulturpolitik
Nachhaltige Kulturpolitik
Um die ökologische Nachhaltigkeit in Museen umfassend zu verbessern, ist es notwendig, die Mechanismen der Kulturpolitik zu verstehen und Abhängigkeits-verhältnisse aufzuzeigen.
Der Begriff Kulturpolitik steht nach heutigem Verständnis für staatlich-kommunales Handeln im Bereich von Kunst und Kultur. Die Zusammensetzung der beiden sehr abstrakten Begriffe Kultur und Politik wirft zwangsläufig die Frage auf, was konkret darunter zu verstehen ist. Eine interessante Sichtweise führt Bernd Wagner in einer Publikation zum Thema Kulturpolitik an, in dem er die verschiedenen Schwerpunkte der einzelnen Deutungsgruppen zusammenstellt. Zu nennen sind an dieser Stelle die „Kultus“-Aspekte (Einbeziehung von Kirchen- und Bildungspolitik), wobei je nach Deutung die Ressortgrenzen schnell verschwimmen und eine Gesellschaftspolitik entstehe. Der Begriff Kulturpolitik, in unserem heutigen Verständnis, wurde erstmalig Anfang des 19. Jahrhunderts formuliert. An Geläufigkeit gewann der Begriff zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Kulturpolitik steht für Schutz und Unterstützung künstlerischer Positionen und soll mit deren Förderung eine Grundlage schaffen, um kulturfreundliche Strukturen innerhalb der Gesellschaft zu festigen. Die Rahmen-bedingung, möglichst vielen Menschen kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, stellt eine weitere Kernaufgabe der Kulturpolitik dar. Aus dieser Aufgabenverteilung ergeben sich die drei Hauptadressaten der Kulturpolitik: KünstlerInnen, Kultureinrichtungen und Kunstinstitutionen sowie die (kulturinteressierte) Bevölkerung.
Ein Großteil deutscher Kunstmuseen unterliegt direkt dem Bund, den Ländern oder Kommunen und nur ein geringer Prozentsatz befindet sich in privater Hand.
Bezieht man alle Museumsarten in die Rechnung mit ein, gehören 51% einer öffentlichen Trägerschaft an, 45% sind in privater Hand (Vereine, Gesellschaften, Firmen, privatrechtliche Stiftungen, Privatpersonen), die restlichen 4% entspringen einer Mischform, beispielsweise bestehend aus Kooperationen zwischen Gebiets-körperschaft und Vereinen.
Eine entsprechende Statistik, die sich ausschließlich auf Kunstmuseen bezieht, veröffentlichte das Institut für Museumsforschung nicht.
Aus dem Abhängigkeitsverhältnis der Kunstmuseen von ihrer Trägerschaft ergab sich ein intensiver Diskurs, wie die Forderung nach einem „Green New Deal“ (2019), initiiert von MuseumsdirektorInnen, zeigt: „verzweigte Verwaltungsstrukturen“ und „weit gefasste umweltpolitische Masterpläne“ würden Entscheidungsprozesse verlang-samen und den Wunsch nach Veränderung lähmen, so InitiatorInnen des „Green New Deals“.
Worauf beziehen sich Positionen wie der „Green New Deal“ und worauf fußt die Kulturpolitik in Deutschland? Antworten auf diese Fragen finden sich im folgenden Kapitel.
Vereinbarte Klimaziele und Abkommen im Überblick
Das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (KuPoGe) richtete im September 2020 eine zweitägige Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Von der Zukunft her – Sommerakademie für eine klimagerechte Kulturpolitik“ aus.
In der dazugehörigen Sonderausgabe „Zeit für Zukunft. Inspirationen für eine klimagerechte Kulturpolitik. Sensibilisieren, Motivieren, Aktivieren.“ wurde eine erste Übersicht der historischen Entwicklung der Kulturpolitik vorgenommen. Auf dieser Darstellung basieren die folgenden Abschnitte; der Fokus liegt hierbei auf den aktuellen Entwicklungen.
Das Zusammenwirken von Kulturpolitik und Nachhaltigkeit war nicht immer gegeben. Erst Ende der 1990er Jahre wurde mit Hilfe der UNESCO Weltkonferenz ein Aktionsplan verabschiedet, der kulturpolitische Nachhaltigkeitsmaßnahmen vorsah.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung definiert den Begriff Nachhaltigkeit wie folgt: „Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten. Um die globalen Ressourcen langfristig zu erhalten, sollte Nachhaltigkeit die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein.“
Der Begriff Nachhaltigkeit wurde vor über 300 Jahren, 1713, zum ersten Mal von Hans Carl von Carlowitz in seinem Buch „Silvicultura oeconomica“ im Zusammenhang mit der Ökonomie der Waldkultur formuliert. Darin beschreibt er das Konzept als eine :“…kontinuierliche[n], beständige[n] und nachhaltende Nutzung […]“. Die Idee hingegen ist weitaus älter, bereits in der Bibel (Nehemia 2, 7– 8) wird von einem Hüter über den Forst des Königs Artahsasta, gesprochen; dieser soll ein unkontrolliertes Abholzen verhindern und den Bau der Stadtmauer um Jerusalem überwachen. Im Mittelalter wurden Forstordnungen und Weistümer eingeführt, um den enormen Holzbedarf zu decken. Im 14. Jahrhundert wurde die innovative Methode der Nadelholzsaaten eingeführt. Während die Anlage von Monokulturen damals als bahnbrechende Erfindung galt, ringen wir in der Gegenwart mit den Auswirkungen derselben auf Klima, Wasserhaushalt und Biodiversität.
Dieser kleine Exkurs zeigt anschaulich, wie weit der Gedanke, nachhaltige Konzepte zu leben, zurückreicht und wie natürlich eine Kreislaufwirtschaft für die Menschheit ist. Unsere Vorfahren im Mittelalter haben dies selbstredend praktiziert. Am Beispiel der Textilien, die zu Lumpen wurden und schließlich in die Papierproduktion eingingen, wird dies anschaulich. Passend hierzu legte 2020 die Europäische Kommission den Aktionsplan „Kreislaufwirtschaft“ vor, um ressourcenschonender und energie-effizienter zu handeln.
Kehren wir zurück zu den Klimazielen und verabschiedeten Abkommen, die unsere Kulturpolitik heute maßgeblich beeinflussen. 1972 befasste sich in Stockholm die erste Konferenz der Vereinten Nationen (UNCHE) mit dem Thema Umwelt und kann daher als Geburtsstunde einer globalen Umweltpolitik angesehen werden.
VertreterInnen aus 113 Staaten verabschiedeten eine aus 26 Prinzipien für Umwelt und Entwicklung bestehende Erklärung sowie einen Aktionsplan mit Empfehlungen für ein international funktionierendes Umweltmanagement. Auch heute noch sind zahlreiche Abkommen auf die 1972 stattfindende UNCHE zurückzuführen oder resultieren direkt daraus.
Zehn Jahre später, 1982, fand die Generalversammlung der Vereinten Nationen statt, welche die „Weltcharta für die Natur“ nach über zwei Jahren gemeinsamer Arbeit verabschiedete. Bei dem Verhaltenskodex sollen mit Hilfe großzügiger Lebensräume natürliche Reichtümer auf Weltebene geschützt werden.
In den 1980er Jahren erschienen einige wegweisende Veröffentlichungen, welche die Diskussion rund um nachhaltige Entwicklung weiter förderten. Zu nennen ist hier „Unsere gemeinsame Zukunft- der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“, oder die Definition des Begriffs Nachhaltigkeit bzw. Nachhaltige Entwicklung, die in einem vorigen Abschnitt bereits aufgeführt wurde und heute noch Bestand hat.
1992 fand die UN-Weltkonferenz „Umwelt und Entwicklung“ in Rio de Janeiro statt. Hier wurde das Konzept der nachhaltigen Entwicklung als internationales Leitbild anerkannt. Die Agenda 21, auch „Aktionsplan 21. Jahrhundert“ genannt, entstand direkt aus der Rio-Konferenz. Diese beinhaltet Ansätze für eine umweltverträgliche, nachhaltige Entwicklung, auch in Bezug auf Armut und Schuldenlast von Entwicklungsländern. Darüber hinaus entstand aus der Rio-Konferenz die Klimarahmenkonvention zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen sowie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD).
Die Weltklimakonferenz in Kyoto 1997 verkündete erstmals verbindliche Ziele für Emissionshöchstmengen weltweit. Ein Jahr darauf, 1998, fand die UNESCO Weltkonferenz „Kulturpolitik für Entwicklung“ in Stockholm statt, aus welcher der Aktionsplan „Kulturpolitik für Entwicklung“ hervorging. In diesem Zeitraum wurde der Abschlussbericht der Enquete-Kommissionen: „Konzept Nachhaltigkeit: Vom Leitbild zur Umsetzung“ veröffentlicht, und die KuPoGe nahm die Leitlinie kulturpolitischen Handelns ins Grundsatzprogramm auf.
Das Gipfeltreffen der Vereinten Nationen im Jahr 2000 in New York samt der Millennium Development Goals (MDG) bildete einen wichtigen Etappensieg auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. In Punkt sieben werden zum Thema ökologische Nachhaltigkeit vor allem drei Aspekte betont. Nachhaltige Entwicklung sei grundsätzlich in der Politik zu verankern, und Ziel sei es, den Raub an natürlichen Rohstoffen zu verringern, ebenso wie die Biodiversität bis 2010 signifikant zu stärken.
Anfang der 2000er Jahre fanden eine Vielzahl von Veranstaltungen, Tagungen und Forschungsprojekten statt, initiiert unter anderem von der KuPoGe. Die Einführung eines Rats für Nachhaltige Entwicklung, die Publikation „Perspektiven für Deutschland“ (2022)“, der Weltgipfel „Nachhaltige Entwicklung“ in Johannesburg und die Aufnahme der Millennium Development Goals in den Aktionsplan bilden wichtige Meilensteine in der Entwicklung. Als bedeutendster Meilenstein ist das 2001 entstandene „Tutzinger Manifest“ hervorzuheben, welches die Kultur – neben Sozialem, Ökologie und Ökonomie – als eine der vier Säulen in das Programm “nachhaltige Entwicklung” aufnimmt und eine Gleichstellung aller vier Bereiche vorsieht. Gefolgt 2004 von der „Agenda 21 for Culture-United Cities and Local Government“ und dem „UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“, bildet dies die Basis für ein völkerrechtlich verbindliches Recht aller Staaten auf eine eigenständige Kulturpolitik.
Die Debatte rund um nachhaltige Entwicklung nahm 2011 mit dem deutschen Nachhaltigkeitskodex, aber vor allem 2015 mit dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in New York und der daraus entstandenen „Agenda 2030“, deutlich an Intensität zu. Siebzehn übergeordnete nachhaltige Entwicklungsziele, die Sustainable Development Goals (SDGs), sind zentraler Gegenstand der „Agenda 2030“, unterzeichnet von 193 Mitgliedstaaten. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden explizit die Sustainable Development Goals und deren Einhaltung eine wichtige Rolle spielen und in verschiedenen Kapiteln immer wieder zur Sprache kommen.
Das „Projektbüro Nachhaltigkeit und Kultur“, dem Deutschen Kulturrat zugehörig, wie auch die KuPoGe veranstalteten zahlreiche Projekte hierzu. In diesem Zusammenhang entstand 2020 das Aktionsnetzwerk „Nachhaltigkeit in Kultur und Medien“, ausgehend von der britischen, gemeinnützigen Organisation Julie’s Bicycle.
In einem Fraktionsbeschluss vom 28. September 2020 formulierte das Bündnis 90/Die Grünen an den Bundestag gerichtet die Forderung nach einem „Green Culture Fond“, der mit 100 Millionen Euro für drei Jahre den Kultursektor für die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen soll.
Der Fraktionsbeschluss „GREEN CULTURE – Klimapolitik in den Mittelpunkt von Kulturpolitik stellen“ sieht verschiedene Ansätze vor. Neben dem „Green Culture Fond“ soll ein entsprechendes „Green Culture Desk“ als Anlaufstelle und Knotenpunkt ins Leben gerufen werden.
Auf differenzierte Weise werden die vier Säulen erläutert und dabei die wesentlichen strukturellen Herausforderungen zusammengefasst:
Die vier Säulen nach „GREEN CULTURE – Klimapolitik in den Mittelpunkt von Kulturpolitik stellen“:
Säule 1: Zentrale Anlaufstelle, Beratung und Vermittlung
Säule 2: ExpertInnen-Pool, Vernetzung und Qualifizierung (Green Consultants)
Säule 3: Forschung, Monitoring & Reporting und das Green Culture Tool
Säule 4: Diskurs: Öffentliche Debatte initiieren
Konsequenzen für den Kunst- und Kultursektor
Wir blicken zurück auf eine kulturpolitische Entwicklung, die sich im Grunde erst seit den 1990er Jahren explizit mit dem Thema der Nachhaltigkeit befasst hat.
Auf politischer Ebene wird deutlich, dass die Kultur einen wichtigen Stellenwert einnimmt, um auf Weltebene nachhaltiger zu werden. Das „Tutzinger Manifest“ verdeutlicht dies, indem es die Kultur als eine der vier Säulen neben Ökologie, Ökonomie und Sozialem gleichberechtigt postuliert.
Die Ökonomie ist auf Grund eng vernetzter globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten direkten Risiken und Schäden globaler Klimaveränderungen ausgesetzt. Die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) der Bundesregierung mit regelmäßigen Fortschritts-berichten ist dabei für die Unternehmen von großer Bedeutung.
Die Gleichberechtigung aller vier Säulen signalisiert: nur wenn alle Bereiche ihren Beitrag leisten, ist mehr Klimaschutz national und international ernsthaft zu betreiben. Für den Kunst- und Kultursektor würde dies bedeuten, dass auf politischer Ebene Maßnahmen festgelegt und finanziert werden und die Institutionen führen diese aus bzw. agieren darüber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene, entsprechend ihres Bildungs-auftrages.
Inwieweit sind Museen, trotz Abhängigkeiten von Trägerschaften, in der Lage, selbst Prozesse anzuschieben und einzufordern?
Auf diese Frage soll im weiteren Verlauf der Arbeit ein Blick geworfen werden.
Einen Gedanken hierzu formulierte der Leiter des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V., Dr. Henning Mohr. Er fordert eine selbstkritische Auseinandersetzung mit Arbeitsweisen und im selben Zuge eine progressive Weiterentwicklung. Transformation sei in einer Zeit der Schnelllebigkeit ein Schlüsselbegriff, wobei Transformation nicht als ein abgeschlossener Vorgang anzusehen sei, vielmehr als eine stetig fortlaufende Überprüfung und Anpassung – entsprechend neuester Erkenntnisse und gesellschaftlicher Erwartungen.
Besonders anfällig für „strukturkonservative Haltungen“ sind nach Dr. Henning Mohr öffentlich geförderte Kulturinstitutionen, die gern an einem Status quo festhalten möchten und unbeweglich in dynamischen Veränderungsprozessen agieren.
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben sich vermutlich genau aus diesem Grund Initiativen und Arbeitskreise gegründet.
Bildnachweis
Detail: Kultur erklärt den Notstand in der Turbinenhalle der Tate Modern, 2019.